2020 heringsessen

Aschermittwoch der SPD Linsengericht mit Christoph Degen, SPD-Unterbezirksvorsitzender und Generalsekretär der SPD Hessen sowie Linsengerichts Bürgermeister Albert Ungermann

Statt Satire und lockeren Sprüchen ernsthafte Appelle an Verantwortung und demokratischen Gemeinsinn

Keine satirischen Einlagen, keine lockeren Sprüche und keine Witze über den politischen Gegner, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der aktuellen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation in Land und der Kommune prägten die Beiträge von Christoph Degen, SPD-Unterbezirksvorsitzender und Generalsekretär der SPD Hessen sowie Bürgermeister Albert Ungermann beim Heringsessen der SPD Linsengericht am Aschermittwoch.

Sachlichkeit statt überzogener Polemik hatten sich beide Redner zum Grundsatz ihrer Beiträge gemacht. Bürgermeister Ungermann zeigte großes Unverständnis über die Ablehnung des Nachtragshaushalts von CDU und Bürgerliste in der vergangenen Gemeindeparlamentssitzung, die eine Blockade vieler zukunftsweisender Projekte in der Gemeinde zur Folge habe. Christoph Degen sprach, angesichts des jüngsten, offenbar rassistisch begründeten Anschlags in Hanau von der großen Herausforderung aller Demokraten „gegen Rechts“ und erinnerte an 1920, als die Demokratie in Deutschland „mit großer Euphorie gestartet war und schließlich im Dritten Reich endete“.

Beinahe kopfschüttelnd bezeichnete Albert Ungermann das Abstimmungsverhalten der beiden Oppositionsfraktionen CDU und Bürgerliste (BGL) als „merkwürdig“, als sie während der Debatte um den Nachtragshaushalt im letzten Gemeindeparlament „Einzelanträgen erst zustimmen um dann am Ende den Haushalt generell abzulehnen“. Als Beispiel nannte er die Freude der BGL über die Bewilligung von 100.000 Euro im Nachtragshaushalt zum Einbau eines Aufzugs im Bürgerhaus Altenhaßlau – „und dann lehnen sie den Nachtrag ab“. Es sei wohl, so gab sich Ungermann überzeugt, ein eher “unüberlegtes Verhalten“ der Opposition gewesen, da sie „feststellte, dass sie an diesem Abend die Mehrheit im Parlament hatte“. Und so manchem Gast des Aschermittwochs der SPD Linsengericht ging spontan das in der Presse wiedergegebene Zitat von BGL-Fraktionschef Heinz Breitenbach durch den Kopf: „Wir wollten etwas Sand in das Getriebe streuen.“

Exakte Zahlen zum Haushalt der Gemeinde seien vonseiten von CDU und BGL „nicht zu hören gewesen“, so Ungermann: „Im Vordergrund stand Polemik, und das ist kein Umgang.“ Es habe kein Miteinander zum Wohl für die Gemeinde gegeben, sondern nur ein trotziges Verhalten.

Besonders folgenreich für die Gemeinde sei auch die Ablehnung des Bebauungsplans für das alte Festplatzgelände in Altenhaßlau. Auf 5000 qm sollen hier, nach Planung, neue Wohneinheiten entstehen, so der Bürgermeister. Mit dem Kippen des Bebauungsplans durch die Opposition rechne die Gemeinde mit einem Verlust von 1,4 Millionen Euro. Hinzu kämen 1,5 Millionen Euro Zuschuss für den Kita-Bau in Altenhaßlau vom Land, die noch nicht erteilt wurden. „Ungermann: „Das bedeuten 2,9 Millionen Euro, die wir so nicht finanzieren können.“

Insgesamt habe die Gemeinde 19 Millionen Euro für Investitionen im Haushalt eingestellt, um die Zukunft der Gemeinde zu sichern. „Wir sind am Puls der Zeit und gut aufgestellt.“ Ungermann teilte mit, gegen die Beschlüsse zum Nachtrag sowie zur Ablehnung des Flächennutzungsplans der letzten Parlamentssitzung bereits Widerspruch eingelegt zu haben.

Das „Miteinander“ unter demokratischen Kräften beschwor auch Christoph Degen als Gastredner des politischen Aschermittwochs der SPD Linsengericht. Noch ganz unter dem Eindruck des offenbar rassistisch begründeten Anschlags von Hanau zeigte er sich schwer bestürzt. Er erinnerte an den Anschlag in Wächtersbach, die Morde in Halle und das Attentat auf den Regierungspräsidenten Lüttke. „Die Angst ist verbreitet, auch in unserer Region, dass unsere Art zu leben, bedroht ist.“ Das Schlimmste aber sei, so Degen, wenn diese Gewalttäter siegen würden. Die Verantwortung sieht hier Degen auch in den Parlamenten und nahm sich als Beispiel das Thüringer Fiasko: „Die SPD hat seit 160 Jahren kein Problem im Umgang mit Rechts, weil wir ihn grundsätzlich ablehnen. Das gilt offenbar nicht für alle im Land. Die AfD hat in Thüringen mit den Stimmen von CDU und FDP bestimmen können, wer Ministerpräsident wird.“ Eine solche Wahl, so Degen, hätte ein Demokrat nicht annehmen dürfen.

„Wir in der SPD reden manchmal etwas vielstimmig, aber wir stehen zu unseren demokratischen Grundwerten“, so Degen beim Linsengerichter SPD-Aschermittwoch. Wesentlich sei, diese Grundwerte in vielen Bereichen zu vermitteln. Ganz wichtig für ihn sei die Stärkung der politischen Bildung in allen Bildungsbereichen, auch in der Erwachsenenbildung: „Kinder müssen früh Demokratie erfahren, und sie müssen mit ihren Anliegen ernst genommen werden. Aber auch in der Weiterbildung von Erwachsenen muss die Vermittlung unserer demokratischen Grundwerte Basiswissen sein.“

Vermittlung demokratischer Grundwerte bedeute zudem, mehr soziale Sicherheit zu geben, „dass ich keine Angst vor Alter und Pflege haben muss“. Die human angelegte Grundrente sei hier – durchgesetzt von der SPD – ein erster Schritt. Zu demokratischen Grundwerten, die vermittelt werden müssen, gehören, nach Ansicht Degens auch die Garantie an junge Familien und Alleinerziehende, dass ihre Kinder in Kitas sicher betreut werden, dass junge Eltern weiterarbeiten können ohne Sorge um ihre Kinder. Und schließlich dürfe es keine Angst geben, seine Wohnung nicht mehr bezahlen zu können. Das ausreichende Angebot bezahlbarer Wohnungen gehöre, so der SPD-Unterbezirksvorsitzende, zur Sicherung unserer demokratischen Grundwerte und damit zu einer primären Aufgabe der SPD.

Seinen Bogen zur Sicherung demokratischer Grundwerte schloss Degen als SPD-Generalsekretär in Hessen in seiner Gastrede beim Aschermittwoch der SPD Linsengericht mit der Versicherung, dass die sozialdemokratische Partei „entgegen aller Widerstände durch die derzeitige Hessische Landesregierung“ den Kommunen ihre finanzielle, damit wirtschaftliche und gestalterische Eigenständigkeit nachhaltig stärken werde. „Im Main Kinzig Kreis sind wir dafür gut aufgestellt und für die Kommunalwahlen im nächsten Jahr gut gerüstet“, schloss Christoph Degen seine Aschermittwochs-Rede vor den Linsengerichter Genossinnen und Genossen.

Mit einem „blumenreichen Dank“ an die Helferinnen in der Organisation läutete SPD-Vorsitzender Hans Jürgen Wolfenstädter schließlich den noch sehr kommunikativen Ausklang des diesjährigen SPD-Aschermittwochs ein.

2020 02 29 1 gnz

Aus der GNZ vom 28.2.2020