Aschermittwoch des SPD-Ortsvereins Linsengericht
Bundestagswahlkampf bereits im Blick
SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Müller: „2017 das Jahr der SPD“
Bürgermeister Albert Ungermann: Prekäre Situation in den Kommunen
„Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf“ könnte man die Situation der Parteien im Main-Kinzig-Kreis einmal sportlich beschreiben. Im SPD-Ortsverein Linsengericht jedenfalls hatte man kurz vor Ende des Landratswahlkampfs beim traditionellen Heringsessen am Aschermittwoch den Start in den Bundestagswahlkampf bereits fest im Blick. Gastrednerin Bettina Müller, SPD-Bundestagsabgeordnete, sorgte im voll besetzten Sportlerheim des FSV Altenhaßlau auch gleich für die richtige Motivation: „Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind bester Laune. Es geht uns im Moment richtig gut“, zielte Müller unter Applaus auf die nun seit Wochen anhaltenden Umfragewerte von über 30 Prozent für die SPD im Bund ab.
Ortsvereinsvorsitzender Hans Jürgen Wolfenstädter begrüßte mit launigen Worten neben Bettina Müller Bürgermeister Albert Ungermann („Wir haben damit gerechnet, dass Du kommst.“), den Ersten Beigeordneten Helmut Bluhm („die graue Eminenz im Hintergrund“), den SPD-Fraktionsvorsitzenden im Gemeindeparlament Bernd Becker („Er hat mittlerweile seinen Kampf mit den Hunden, obwohl er überhaupt keinen hat.“), die Kreistagsabgeordnete Erika Becker sowie Jürgen Brandes von der AG 60plus und die zahlreichen Gäste, unter ihnen Gemeindevertreter und Ortsbeiräte. Ganz besonders freute er sich über ein weiteres neues Mitglied und überreichte Harald Choteschovsky aus Altenhaßlau das rote Parteibuch.
„Uns gehen mittlerweile die Parteibücher aus“, freute sich Bettina Müller über die rund 10.000 SPD-Neumitglieder bundesweit, nachdem Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten nominiert wurde. „Er will Bundeskanzler werden, und das glauben wir ihm.“ Angesichts eines Donald Trump, einem „Pöbler, Baulöwen und Veranstalter von Casting-Shows, ohne politisches Konzept“ als Präsident der USA, der Amerika einmauern will, Folter zulassen würde, das Auseinanderbrechen der EU gutheißt und Putin als „guten Mann“ bezeichnet, dem Vormarsch der Rechtspopulisten in Großbritannien, Ungarn und Polen, sei eine starke Sozialdemokratie unabdingbar.
Mit großer Sorge müsse man die Entwicklung in der Türkei unter Erdogan betrachten, „von dem wir uns nicht erpressen lassen dürfen und für dessen Wahlkampf Deutschland keine Plattform sein darf“, so Müller. „Wir müssen streiten für Weltoffenheit, Menschenrechte und freie Meinungsäußerung.“ Dies gelte auch im Umgang mit der AfD, die offen Rassismus dulde und ihre politische Ausrichtung immer deutlicher zum Rechtsextremismus hin verschiebe. Die SPD-Bundestagsabgeordnete zitierte Martin Schulz, der die AfD als „Schande für Deutschland“ bezeichnet hatte.
SPD-Wahlkampf mit Top-Thema „Soziale Gerechtigkeit“
Vorausblickend auf den anstehenden Bundestagswahlkampf nannte Bettina Müller das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ als „ganz oben auf der Agenda“ stehend. „Ist es gerecht, dass die Menschen arbeiten und trotzdem ihre Mieten nicht bezahlen oder in den Urlaub fahren können, andererseits aber Finanzmanager exorbitante Boni einstreichen?“ fragte sie beispielhaft in die Zuhörerrunde. Die Arbeitsmarktpolitik müsse an der ein oder anderen Seite neu ausgerichtet werden, Agenda 10 bedürfe nach über 13 Jahren einer Überarbeitung, der Spitzensteuersatz dürfe kein Tabu mehr sein.
Für die Flörsbachtalerin Müller, deren weiter Wahlkreis großenteils ländlich geprägt ist, steht der Erhalt bzw. die Entwicklung der sozialen Infrastruktur in den Dörfern ganz oben auf ihrem politischen Programm: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass unsere Dörfer verwahrlosen, es keine Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gibt, besonders vor dem Hintergrund, Rechtsextremismus dort keinen Boden zu bereiten.“ Müller begrüßte hier ausdrücklich das von Thorsten Stolz angestrebte „Förderprogramm für den ländlichen Raum.
Müller schloss ihre Rede mit der Forderung nach bestmöglicher Ausstattung von Schulen und Kitas, der Gebührenfreiheit vom Kindergarten über die Schule bis zum Studium, mehr Personal statt neuer Gesetze im Bereich Sicherheit, Schaffung bezahlbaren Wohnraums sowie die Förderung einer gesunden Umwelt sowie gesunder Lebensmittel. Die Abgeordnete geht mit großem Elan in den Wahlkampf, denn „mit Martin Schulz haben wir einen Kandidaten, der nah dran ist an den Menschen. Es wird für uns ein super Jahr, denn die Sozialdemokratie ist sexy, auch wenn sie schon so alt ist.“
Bürgermeister Ungermann: „Enggestrickter Haushalt 2017/2018“
Bürgermeister Albert Ungermann konnte im Altenhaßlauer Sportlerheim am Aschermittwoch eine nicht ganz so gute Laune verbreiten. Mit Blick auf die derzeit laufenden Beratungen über den eingebrachten Haushaltsentwurf 2017 / 2018 für die Gemeinde Linsengericht musste er von einem enggestrickten Sparhaushalt berichten, der keinen Spielraum für besondere Wünsche zuließe. Die Kommunen seien ebenso wie die Kreise verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. „Hier sitzt uns allen die kommunale Finanzaufsicht im Rücken. Wenn wir auf der einen Seite etwas ausgeben, müssen wir es auf der anderen Seite wieder einnehmen.“
Durch die Neuregelung des Kommunalen Finanzausgleichs fehle Linsengericht für 2017 ein Betrag von 1,1 Millionen Euro, der abgefangen werden müsse. „Wir haben bei der Erarbeitung des Haushalts versucht, die Streichung von Leistungen gerecht anzugehen. Dabei werden die Vereine grundsätzlich nicht angetastet, weil die ehrenamtliche Arbeit für eine Gemeinde unersetzlich ist.“ Trotz Streichungen sei die Erhöhung von Steuern unumgänglich gewesen. Auch hier habe man versucht, möglichst breit zu streuen – von der Hundesteuer bis zur Kindergartengebühr.
Ungermann ärgerte sich sichtlich über das Verhalten der Opposition im Gemeindeparlament und in den Ausschüssen, die Anträge zum Haushalt einreichten und Forderungen stellten – beispielweise in den Bereichen Friedhöfe oder Kitas – ohne Vorschläge zur Gegenfinanzierung zu machen. „Das sind reine Schauanträge“, stellte der Bürgermeister fest. Es sei für ihn unverständlich, dass nicht alle politischen Vertreter der Gemeinde an einem Strang zum Wohle Linsengerichts zögen, sondern sich im Gegenteil hinter die Politik der hessischen Landesregierung stellten. Und eben diese sei verantwortlich für die prekäre finanzielle Situation der Kommunen in Hessen, die ja nicht nur von Sozialdemokraten geführt würden.
„Im Grundgesetz ist das Konnexitätsprinzip verankert, das besagt, der Bund beschließt bestimmte Regelungen, die Länder gießen sie in Gesetze, und die Gemeinden sind zur Umsetzung wie etwa bei den Kitas verpflichtet. Vom Bund fließen Gelder an die Länder, die diese im besten Fall – wie etwa in Rheinland-Pfalz - zu hundert Prozent an die Kommunen weiterleiten. In Hessen sind wir leider nicht in dieser komfortablen Situation, denn da gibt es in Wiesbaden klebrige Finger. Denn die Landesregierung behält Teile der Bundesgelder ein, um ihren eigenen Haushalt zu sanieren. Den Letzten – also wir Gemeinden - beißen also die Hunde“, so Linsengerichts Bürgermeister Ungermann und sinnierte laut darüber nach, ob sich nicht alle in hessischen Städten und Gemeinden unabhängig ihrer politischen Couleur zu einem Protestmarsch nach Wiesbaden zusammenschließen sollten.